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Wohnen in ehemaliger Glashütte

Zusammen mit einer Baugruppe realisierten die Architekten Eyrich Hertweck 2018 im Berliner Stadtteil Friedrichshain eine außergewöhnliche Umnutzung: Gegenüber des Bahnhofs Ostkreuz bietet nun ein ehemaliges Werkstattgebäude aus dem Jahr 1923 Raum für Wohnungen und Gewerbe. Es erfüllt dabei Qualitäten der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung durch die Verwendung recycelter Baumaterialen sowie energieeffiziente Holzfaserdämmplatten der Firma GUTEX.

Mit dem Aufruf: „Berliner Baugruppe Glashütte Alt-Stralau definiert Wohnraum einer Industriefabrik komplett neu. Aufnahmestopp ist der 20. November 2015“, war es offiziell. Das alte Werkstattgebäude der Glashütte auf der Alt-Stralau Halbinsel im Berliner Bezirk Friedrichshain konnte endlich gekauft werden. Zurück lagen drei Jahre in Berliner Ämtern, im Abgeordnetenhaus und Landesparlament, in denen sich die Architekten Anita Eyrich und Christian Hertweck zusammen mit der Maklerin Tanja Zieske für den Erhalt des Gebäudes einsetzten. Denn laut Gutachten stand es bereits kurz vor dem Abriss. Das 1923 von der Stralauer Glashütte Aktiengesellschaft erbaute 66 Meter lange Werkstatthaus war Teil der Flaschenfabrik Evert & Neumann, in dem später unter den Namen Stralauer Glashütte, VEB Stralauer Glaswerke und zuletzt Nienburger Glaswerke Bier-, Wein-, Wasser- und Sektflaschen bis 1997 produziert wurden. Seitdem gab es kurzzeitige Zwischennutzungen für Ausstellungen und Konzerte, sowie Pläne einer Umnutzung als gemeinwohlorientierten Weltladen.

Als Kontrast und Überleitung in eine moderne Architektursprache wurde das Dach in rückwärtig um ein Geschoss in Holzkonstruktion mit einer Verkleidung aus Zinkblech aufgestockt. Foto: Udo Meinel
Als Kontrast und Überleitung in eine moderne Architektursprache wurde das Dach in rückwärtig um ein Geschoss in Holzkonstruktion mit einer Verkleidung aus Zinkblech aufgestockt. Foto: Udo Meinel

Für Investoren war das Gebäude trotz des gestiegenen Berliner Wohnraumbedarfs hingegen uninteressant, da sein Zustand hohe Investitionskosten verlangte. Baukosten, die sich allerdings lohnten: Zwischen dem Wasserturm am Ostkreuz und der Rummelsburger Bucht, zwischen Hausbooten und der Berliner Clubszene ist nach zweijähriger Bauzeit in der ehemaligen Glashütte ein Wohnhaus entstanden, das wegen seiner schonenden Sanierung und der Verwendung ökologischer, recycelter Baumaterialien hervorsticht.

Baudenkmal: Behutsam sanieren und dämmen

Im Zuge der Umbauarbeiten wurde ein komplett offenes Erdgeschoss geschlossen, beschädigte Gebäudeecken repariert und durchlaufende Fensterbänder von ihren Mauern befreit. Auch Schadstoffe wurden eliminiert und ökologisch nachhaltige Baumaterialien wie die modernen Holzfaserdämmstoffe aus heimisch nachwachsenden Rohstoffen von GUTEX eingebaut. Unter der Einhaltung des Denkmalschutzes war eine Außendämmung bei der Ziegelfassade nicht möglich. Erschwerend war ebenfalls die bestehende Stahlkonstruktion, die sich von der Fassade in das Innere des Gebäudes zieht und eine erhebliche Wärmebrücke darstellt. Um dennoch von den Vorteilen einer Fassadendämmung zu profitieren, wurden GUTEX Dämmplatten vollflächig auf die Innenseite der Außenwände geklebt. Mit ihrer geringen Dämmdicke und dem dadurch nur minimalen Raumverlust gehören sie zu beliebten Dämmlösungen in der Denkmalsanierung. Die diffusionsoffene, Kondensat tolerante Dämmplatte kann darüber hinaus bis zu 15 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und geregelt wieder abgeben, ohne dass die Dämmwirkung beeinträchtigt wird. Neben der sehr guten Wärmespeicherfähigkeit und dem angenehmen Wohnklima hatte die innenseitig angeordnete Holzfaserdämmplatte auch bei der Montage besondere Vorteile. Der ausführende Verarbeiter konnte auf ein außenseitiges Montagegerüst für die Wanddämmung verzichten und witterungsunabhängig arbeiten. Vor Ort ließen sich die 830×600 Millimeter großen, handlichen Dämmplatten leicht mit üblichem Werkzeug, wie Stich-, Kreis, oder Alligatorsäge zuschneiden und mit hoher Maßgenauigkeit befestigen. Summa Summarum ist bei fachgerechtem Einbau eine moderne Innendämmung mit Holzfaserdämmplatten eine sichere und ökologische Alternative zur Außendämmung der Gebäudehülle.

GUTEX Dämmstoffplatten konnten leicht zugeschnitten und mit hoher Maßgenauigkeit an der denkmalgeschützten Fassade befestigt werden. Foto: Eyrich Hertweck Architekten
GUTEX Dämmstoffplatten konnten leicht zugeschnitten und mit hoher Maßgenauigkeit an der denkmalgeschützten Fassade befestigt werden. Foto: Eyrich Hertweck Architekten

Anspruchsvoll und ausgezeichnet

Um den ursprünglichen Gebäudecharakter zu erhalten, wählten die Architekten dunkle rustikale Zinkfassadenelemente für die notwendigen Veränderungen und Ergänzungen im Erdgeschoss und am neu aufgestockten Dachgeschoss, an den Balkonen in den oberen Etagen sowie an den Treppenhäusern der Brückenbauten.

Anspruchsvolle Detaillösungen wie diese befinden sich ebenso im Gebäudeinneren. Hier wurden nicht nur alte Bahnschienen, Stahlträger und Mauerwerke freigelegt. Auch die Verwendung von Sichtbeton in den Wohnbereichen und am Aufzugsschacht erinnert an die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes. Die Grundrisse der insgesamt 24 Wohnungen, zwischen 40 und 158 Quadratmetern, verteilt auf drei Ebenen, weisen dabei flexible wie individuelle Gestaltungsmöglichkeiten auf – vom offenen Loft bis hin zum räumlich verdichteten Wohn- bzw. Arbeitsgrundriss. Im Erdgeschoss wurde neben einem Friseurgeschäft der Traum eines Autoliebhabers in Form einer Wohnwerkstatt erfüllt. Als weitere Besonderheiten gelten Zwischenebenen, eine Stahl-Spindeltreppe zu einer der vier Maisonette-Wohnungen und Wintergärten in den Brückenbauten, über die zwei Wohnungen mittels eines Treppenhauses erschlossen werden. Durch diese direkten Zugänge sowie einem inneren Laubengang war der Bau eines weiteren Treppenhauses nicht notwendig. Auch die historisch, einfach verglasten Fenster mussten in diesem Teil des Gebäudes nicht verändert werden. Für die milden Raumtemperaturen der Wintergärten reichte eine nachträglich eingebaute Dämmschicht, ebenfalls aus Holzfaserplatten von GUTEX im Bereich der Außendecke. Die Fenster in den restlichen Wohnbereichen hingegen wurden durch isolierte Doppelkastenfenster mit integriertem Sonnenschutz erweitert.

Die Spuren der Industriearchitektur setzen sich auch im Inneren fort: Mauerwerk, Stahlträger und Sichtbeton prägen die Wohnräume. Foto: Udo Meinel
Die Spuren der Industriearchitektur setzen sich auch im Inneren fort: Mauerwerk, Stahlträger und Sichtbeton prägen die Wohnräume. Foto: Udo Meinel

Aufgrund der hervorragenden wärmetechnischen Eigenschaften der Holzfaserdämmplatten konnte die charakteristische Stahlstruktur des Baudenkmals Glashütte Alt-Stralau im Original erhalten bleiben und so auch den Erkennungswert der Halbinsel bewahren. Für den innovativen und zukunftsweisenden Umbau wurde das Projekt 2019 mit dem 2. Preis des KfW Award in der Kategorie Bauen im Bestand ausgezeichnet. Neben Kriterien wie kosteneffizienter Bauweise durch Wiederverwendung alter Baumaterialien und gesundem Wohnklima durch ökologische Holzfaserdämmstoffe von GUTEX bewertete die Jury auch den Beitrag zum Klimaschutz und die harmonische Anpassung in die umliegende Bebauung.

Bautafel
Projekt: Sanierung und Umnutzung denkmalgeschützte Glashütte Alt-Stralau
Bauherr: Baugruppe Glashütte Alt-Stralau
Planer: Eyrich Hertweck Architekten, Berlin
Fassadenbau: PROBAU GmbH, Annaberg
Holzfaserdämmung: GUTEX, Waldshut-Tiengen
Fotos: Udo Meinel