Fenster in der Fassade der Schwarzensteinhütte Bozen
Wein und Wellness, Kultur und Wandern: In seinem Tourismusmarketing präsentiert sich Südtirol als ebenso vielfältige wie attraktive Urlaubsregion. Mit Erfolg. Um der steigenden Gästezahl zu entsprechen, beschloss die Regierung der Provinz Bozen, den Bestand an Schutzhütten zu modernisieren und zu vergrößern.
Für die Renovierung 22 bestehender und den Bau drei zusätzlicher Hütten stellte sie zehn Millionen Euro bereit. Als Teil dieses Programms entstand die neue Schwarzensteinhütte – ein leuchtender Solitär mit kupferkaschierter Oberfläche und lichten Innenräumen, deren Velux Dachfenster das Bergpanorama wie zahlreiche Gemälde inszenieren.
Bei schönem Wetter können Bergwanderer im Südtiroler Teil der Zillertaler Alpen schon von Weitem ein besonderes Objekt erkennen. Lange bevor sie am Trippachsattel auf einer Meereshöhe von rund 3.030 Metern ankommen, sehen sie, wie ein hohes unregelmäßiges Sechseck das Sonnenlicht reflektiert. Wie eine Zinne erhebt es sich aus dem Berg und grenzt sich mit einem metallischen Glänzen vom umstehenden schroffen Gestein ab. Das Objekt ist die neue Schwarzensteinhütte (Rifugio al Sasso Nero) – eine ungewöhnlich gestaltete alpine Schutzhütte des Bozener Architekturbüros Stifter + Bachmann. Die ersten beiden Stockwerke wurden in Beton gegossen, da sie teilweise unter der Erde versenkt sind und als Fundament dienen. Die oberen Stockwerke wurden aus Holz gebaut. Die auf einer dicken Dämmschicht montierte Metallverkleidung verbindet beide Bauarten zu einem Gebäude, das wie ein schimmernder Fels wirkt.
Trotz seiner Form und Materialität ist der Baukörper jedoch kein Fremdkörper im alpinen Ambiente. „Unser Haus ist kein Designstatement und wir wollten keine neue Sprache erfinden“, erklärt Architekt Helmut Stifter den Entwurf. „Wir haben einen weiteren Stein gebaut, auf der einen Seite in die Höhe ragend und die Gäste willkommen heißend, auf der anderen sich in die Umgebung einfügend.“
Mit ihrem Entwurf hatten sich Stifter + Bachmann bei einem Wettbewerb gegen sieben andere Architekturbüros aus der Region durchgesetzt. In der Öffentlichkeit stieß das Projekt teilweise auf Kritik, weil es mit der Tradition alpiner Gebäude zu brechen schien. Tatsächlich gibt es sie jedoch nicht wirklich – die ersten Berghütten waren im späten 19. Jahrhundert von deutschen Alpenvereinen aus lokalem Stein errichtet worden nach dem Vorbild städtischer Bürgerhäuser. Und mit vielen Merkmalen der Schwarzensteinhütte erreichen die Architekten eine stimmige Einbettung in die Landschaft. Den Lichtbändern und Velux Dachfenstern kommt dabei – auch über ihre Platzierung – eine Schlüsselrolle zu.
Fenster inszenieren das Alpenpanorama
Das zeigt sich bei der turmartigen Hütte, die sich über insgesamt sechs Stockwerke erstreckt und 510 m2 Netto-Nutzfläche bietet, schon im Erdgeschoss. Dort befinden sich die Küche und ein großer Wohn- und Essbereich. Ein durchgehendes Band aus zwei Meter hohen Fenstern erstreckt sich über die gesamte Gebäudebreite und lässt das Sonnenlicht bis in die Tiefe des Raums hinein. Gleichzeitig verschafft es den Gästen einen 180-Grad-Panoramablick: Die Anordnung und Dimension der Fensterflächen inszeniert die alpine Landschaft und lässt sie wie Gemälde wirken, etwa beim Blick auf den benachbarten Gipfel oder dem spektakulären Ausblick von den Zillertaler Alpen über die hohen Tauern und die Rieserfernergruppe bis hin zu den Dolomitengipfeln der Marmolata.
Auch in den darüberliegenden Stockwerken übernehmen die Fenster diese Doppelfunktion. Bandförmig angeordnet und optimal dafür platziert, sorgen sie in jedem Schlafbereich mit jeweils zwei bis fünf Stockbetten nicht nur für Tageslicht und Belüftung, sondern geben zudem den Blick auf die umliegenden Bergspitzen frei. „In diesem Gebäude gibt es keine Trennung zwischen Fassade und Dach. Es ist ein großes Dach, daher waren Velux Dachfenster unsere erste Wahl“, betont Stifter. „Wir haben die gleichen Dachfenster verwendet wie in Einfamilienhäusern im Dorf. Alle unsere Mitarbeiter waren mit der Detaillierung und Montage der kupferkaschierten Oberfläche vertraut – die meisten Dächer hier sind so ausgeführt.“
Dass ihre regulären Fenster auch den alpinen Anforderungen auf über 3.000 Meter Höhe genügen würden, hatten Velux Spezialisten den Architekten bereits in einem frühen Projektstadium zugesagt und versichert, dass weder Unterwasserfenster noch andere extreme Lösungen gebraucht würden. Bis auf den durch den Luftdruckunterschied zwischen Flachland und Hochgebirge erforderlichen Gasdruckausgleich und eine geringfügige Änderung der Dichtungen gab es keine weiteren Anpassungen an den Velux Fenstern. Entsprechend dem Vorschlag eines Ingenieurbüros wurden sie leicht über die Fassade hinausstehend montiert, damit Wasser und Schnee problemlos ablaufen können. Ein Sonnenschutz war bei ihnen verzichtbar: Die Gäste gehen in der Dämmerung zu Bett und stehen bei Sonnenaufgang auf.
Durch ihre Hinweise zum Arbeitsablauf gaben das Wirte-Ehepaar und ein Mitarbeiter zudem den Anstoß zum unkonventionellen Einsatz eines Standardprodukts: Der durchgehende Bartresen in Richtung Restaurant-Terrasse wird mit einem größeren Velux Dachfenster kombiniert – geöffnet ermöglicht es den Service von innen und bildet für die Gäste im Außenbereich gleichzeitig ein schützendes Glasdach über dem Tresen.
Naturnahes Interieur und modernste Haustechnik
Die Innenausstattung verstärkt den Eindruck heller, tageslichtdurchfluteter Räume. Das gesamte Interieur einschließlich der Möbel besteht aus unbehandeltem Fichtenholz. Böden und Decken aus Brettsperrholzplatten bilden die Struktur. Jedes noch so kleine Detail ist durchdacht und auf maximale Funktionalität und Komfort unter Bergbedingungen ausgelegt.
Besondere Naturnähe und Nachhaltigkeit zeigt sich auch in der Energieversorgung. Eine Photovoltaik-Anlage produziert den benötigten Strom für die Heizung sowie die größten Verbraucher im Hüttenbetrieb, die Küche und Bar, und sichert ihn in einem Batteriespeicher im zweiten Untergeschoss. Warmwasser gibt es nur in der Küche und in den Duschen – es wird mit dem Blockheizkraftwerk und einem Wärmetauscher erhitzt, der zudem die Batterien lädt, falls die Sonnenkollektoren dazu nicht ausreichen. Zum wetter- und batterieunabhängigen Kochen dient Gas, das in Flaschen zur Hütte transportiert wird. Das Trinkwasser stammt aus einem höhergelegenen Reservoir. Von dort strömt es in eine Aufbereitungsanlage, die es entkeimt und mineralisiert.
Mit ihrem architektonischen Konzept und dem Rückgriff auf erschwingliche, leicht zugängliche Materialien und Komponenten gelang Stifter + Bachmann ein spektakuläres Erscheinungsbild mit formvollendeter Detaillierung bei vergleichsweise geringen Kosten. Nur die hochalpine Lage der neuen Schwarzensteinhütte, die noch 100 Höhenmeter über ihrer 2017 abgerissenen Vorgängerin liegt, verteuerte den Bau naturgemäß: Weil die Zufahrtsstraße auf 1.800 Metern endet, musste eine provisorische Seilbahn die Materialien von dort aus weitertransportieren. Die Arbeiter wurden mit dem Hubschrauber zur Baustelle gebracht.
Projektdetails
Projekt: Alpine Schutzhütte
Bauherr: Provinz Bozen/Südtirol, Italien
Standort: Zillertaler Alpen, Südtirol, Italien
Architekten: Stifter + Bachmann, Bozen, Südtirol, Italien
Generalunternehmer: Burgerbau KG & Co., Elektro Oberlechner & Messner
Dachfenster (und Holzbau): HOKU GmbH, Toblach, Südtirol, Italien
Dach- und Fassadeneindeckung Kupfer: Spenglerei Aschbacher, ZINGERLE BONIFAZ GmbH
Bauzeit: Juni 2015 – Oktober 2017
Eröffnung: Juni 2018
Fenster: Velux GGL Schwingfenster aus Holz, klar lackiert; www.velux.de