Wann ist Schluss mit Aluminium im Glasrandverbund
Viele werden sich daran erinnern: 1973 lenkte erstmals eine weltweite Energiekrise den Fokus auf die Energieeffizienz von Gebäuden. Mit der Wärmeschutzverordnung 1977 kam das Verbot von Einscheibengläsern, beschichtetes Isolierglas wurde quasi von Null auf Hundert zum Standard und der Uw-Wert sank von durchschnittlich 4,7 W/(m²K) auf 2,7 W/(m²K) [1]. Heute haben die exorbitanten Energiepreissteigerungen, die durch den Krieg in der Ukraine, die coronavirusbedingten Lieferengpässe und die angespannte Versorgungslage ausgelöst wurden, die energetische Optimierung von Gebäuden wieder ganz nach oben auf die Agenda von Gesetzgebung und Bauindustrie katapultiert. Was kann der Warme Kante Abstandhalter dazu beitragen? Christoph Rubel ist European Technical Manager bei der Edgetech Europe GmbH, die in Heinsberg den flexiblen Warme Kante Abstandhalter Super Spacer aus Silikonschaum für viele europäische Länder produziert und er hat die wesentlichsten Fakten zusammengefasst. Seine Quintessenz: Die Warme Kante ist ein Muss, denn auch kleine Energiefresser summieren sich auf die Lebensdauer eines Fensters gerechnet zu einem enormen Energieverlust.
Beim Uw-Wert ist noch viel Luft nach oben
Moderne Wärmeschutzgläser erreichen als Dreifachverglasung mit thermisch optimiertem Glasrand bis 0,5 W/(m²K). Eine Studie des VFF zeigt [2]: Mit 1,1 ist der durchschnittliche Uw-Wert für den zuletzt ausgewiesenen Zeitraum zwischen 2017 und 2020 immer noch weit entfernt vom Passivhaus-Standard, der eine Dreifachverglasung mit Wärmedurchgangskoeffizient Uw < 0,8 W/(m²K) fordert. Bei der thermischen Optimierung von Isoliergläsern ist also erhebliches Potenzial vorhanden. Dabei ist die Warme Kante die Lösung, die am einfachsten umzusetzen ist und weder aufwändige Beschichtungen noch Änderungen in der Profilkonstruktion erfordert.
Warum werden immer noch Alu-Abstandhalter verbaut?
Dass konventionelle Aluminium-Abstandhalter im Randverbund Wärmebrücken bilden, über die wertvolle Wärmeenergie verloren geht, ist seit langem bekannt. Darüber hinaus ist im Winter, wenn große Temperaturunterschiede zwischen innen und außen vorliegen, die Glasoberfläche im Randbereich eines Fensters mit Warmer Kante deutlich wärmer; mit der Konsequenz, dass sich kaum Tauwasser bildet und die Behaglichkeit im Raum spürbar zunimmt. Warum setzen also immer noch viele Fensterbauer auf Aluminium? Der Grund liegt zum einen im Preiswettkampf, zum Teil liegt es aber auch daran, dass sich einige Akteure noch nicht im Klaren darüber sind, wie stark die Leitfähigkeit eines Isolierglas-Abstandhalters ist. Noch hat sich am Markt die Erkenntnis nicht vollkommen durchgesetzt, dass die Leitfähigkeit eines Isolierglas-Abstandhalters im Randverbund die Wärmedämmwerte eines Fensters mitbestimmt. Der Wärmeverlust wird durch den Psi-Wert Ψ, einen linearen Wärmedurchgangskoeffizienten in der Einheit W/mK quantifiziert. Er beschreibt pro Grad Temperaturunterschied die Wärmeverlustleistung pro Meter Wärmebrücke. Bei den unterschiedlichen Warmen Kanten liegen die Werte eng beieinander, im Vergleich zu einem Aluminium-Abstandhalter sind die Auswirkungen jedoch eindeutig.
Mit einer Wärmeleitfähigkeit von nur 0,15 W/mK besitzt beispielsweise Silikonschaum eine 1000-fach geringere Wärmeleitfähigkeit als Aluminium. Der Mehrpreis für Super Spacer Abstandhalter liegt pro Laufmeter im niedrigen Centbereich. Das Preisargument ist also leicht zu entkräften.
Darüber hinaus birgt eine automatisierte Isolierglasfertigung mit robotergestützter Spacerapplikation zusätzliches Einsparpotenzial auf der Verarbeiterseite. Flexible Spacer von der Rolle sind bereits in der gewünschten Breite und Farbe vorgefertigt. Während eine Rolle auf dem Applikator läuft, signalisiert die Software sechs Meter vor dem Rollenende, welches Material als nächstes benötigt wird und der zweite Applikatorkopf kann mit einer neuen Rolle bestückt werden.
Es gibt keine Wartezeiten auf das Material und auch der Rollenwechsel im Applikator ist schnell erledigt: Die beiden Enden werden mithilfe einer Klebefolie verbunden und die Produktion kann weiterlaufen. Da flexible Spacer bereits mit Trockenmittel, Dampfdiffusionssperre und Acrylkleber ausgestattet sind, entfallen zeit-, personal- und maschinenintensive Vorarbeiten.
Nur Fenster mit einer warmen Kante werden zukünftig förderfähig sein
Nicht vergessen sollte man bei anstehenden Investitionsentscheidungen die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Mit dem im Mai 2022 veröffentlichten „Arbeitsplan Energieeffizienz“ machte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Deutschland klar, dass insbesondere der Austausch alter Fenster und Türen im Zentrum der Gebäudeförderung stehen wird. Ein Signal, das sich positiv in den Auftragsbüchern niederschlagen dürfte, denn nach Berechnungen des VFF in der oben erwähnten Studie sind rund 235 Mio.
Fenstereinheiten im Gebäudebestand sanierungsbedürftig. Dreifach-Wärmedämmgläser haben mittlerweile einen Marktanteil von mehr als 60 %. Der Anteil der im Jahr 2020 vermarkteten Fenster mit „warmer Kante“ (Psi-Wert von 0,06) wird mit 74 % beziffert.
Zwar schreibt das GEG (Gebäudeenergiegesetz) als Mindestanforderung an neue Fenster einen Uw-Wert von 1,3 W/(m²K) vor. Will man sich jedoch als Bauherr Fördermittel und BAFA-Zuschüsse sichern, sieht es anders aus. Bei Einbau von Dreifach-Wärmeschutzglas muss der Uw-Wert 0,95 W/(m²K) oder besser sein. Zweifach- Wärmeschutzglas wird derzeit (Stand September 2022) überhaupt nicht gefördert. Wie man in Abb. 2 sehen kann, ist der Alu-Abstandhalter für die meisten Fensterrahmen Materialien keine praktikable Option mehr und mit Sicherheit keine langfristige Lösung.
Klug ist, wer sich als Fensterbauer mit einer automatisierten Fertigung und der Warmen Kante im Standard zukunftsfähig aufstellt. Denn eines ist sicher: die Vorgaben von Seiten des Gesetzgebers werden nie wieder gelockert.
Was bringt die Warme Kante bei Wärmedämmung und Heizkosten?
Als Faustregel gilt: Eine Differenz von 0,04 W/mK beim Psi-Wert bedeutet eine Verbesserung von 0,1 W/mK beim Uw-Wert. Abb. 2 zeigt, welche Veränderungen allein durch den Wechsel von herkömmlichem Abstandhalter auf Warme Kante, in diesem Fall von Aluminium-Spacer auf Silikonschaum-Spacer möglich ist.
Eine vom Passivhaus Institut Darmstadt (PHI) für die Edgetech Europe GmbH im Dezember 2019 durchgeführte Studie belegt die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit mit konkreten Einsparungen bei Jahresheizwärmebedarf und CO2-Fußabdruck (siehe Zusammenfassung in Abb. 3). Da sich die Energiepreise seither exponentiell verändert haben und kaum prognostizierbar sind, wird an dieser Stelle auf die Projektion der geldwerten Einsparungen über die Lebensdauer des Fensters verzichtet.
In einem Niedrigenergiehaus gemäß EnEV 2016 mit 2-fach-Verglasung reduziert sich der Jahresheizwärmebedarf um 5,8 %. Aufgrund der verbesserten Dämmung durch eine Dreifach-Verglasung kann die Einsparung auf 8,2 % steigen. Für den in der Praxis unwahrscheinlichen Fall eines Alu-Abstandhalters im Passivhaus beträgt die mögliche Energieeinsparung rund 22 % beim maximal zulässigen Jahresheizwärmebedarf von 15 kWh/(m2a).
Legt man den durchschnittlichen CO2-Fußabdruck in Deutschland mit 11 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Kopf und Jahr (Angaben Umweltbundesamt, 2021) als Vergleichsgrundlage an, reduziert allein die Warme Kante in der Dreifachverglasung eines Niedrigenergiehauses diesen Wert um 1,43 %. Mit sich veränderndem Energiemix in Deutschland hin zu erneuerbaren Energien werden diese Einsparmöglichkeiten geringer, da sich auch der CO2eq-Emissionsfaktor verringert. Als klimaverträglicher CO2 Fußabdruck pro Kopf weltweit gilt allgemein ein Wert von unter einer Tonne CO2-Äquivalenten. Wir haben also alle noch einen weiten Weg vor uns, bei dem jedes eingesparte Kilo zählt.
Da der Jahresheizungswärmebedarf eines Hauses von unzähligen Faktoren wie Alter, Dämmwerte, Standort, Ausrichtung der Fenster, Außentemperaturen und persönlichem Nutzerverhalten abhängt, lässt sich das Einsparpotenzial durch die Warme Kante nicht über einen simplen Durchschnittswert kalkulieren.
Was bleibt als Fazit: Die energetische Sanierung von Gebäuden ist die Summe aus vielen kleinen Teilen. Mehr als 8 % mögliche Energieeinsparungen durch die Warme Kante selbst in einem Niedrigenergiehaus ist ein Potenzial, das man nicht ignorieren sollte. Darüber hinaus sind die Minimierung von Tauwasserbildung und Schimmelbildung sowie der spürbare Komfortzuwachs ein unwiderlegbares Argument für den thermisch optimierten Glasrand. Last, but not least, ergeben 235 Mio. sanierungsbedürftige Fenstereinheiten zusammen ein riesiges Potenzial.
Quellen:
[1] Mehr Energie sparen mit neuen Fenstern; Aktualisierung Mai 2021 der Studie „Im neuen Licht: Energetische Modernisierung von alten Fenstern“, Verband Fenster + Fassade, Frankfurt am Main, und Bundesverband Flachglas e. V., Troisdorf
[2] Energy, CO2 and cost savings by using Edgetech Super Spacer TriSeal | T-Spacer Premium in comparison to aluminium and stainless steel spacer bars in different climates, Passivhaus Institut Darmstadt im Auftrag der Edgetech Europe GmbH, 2019