Glas und FensterTopthema

Noch mehr Transparenz an der Fassade

Noch mehr Transparenz ohne sichtbare Stützstrukturen an der Fassade ist einer der wichtigsten Trends in der modernen Glasarchitektur. Regelmäßig veranstaltet die Glasstec seit 2010 die Konferenz “Engineered transparency“, um die neuesten Entwicklungen zu diskutieren. Christoph Rubel, technischer Leiter bei Edgetech Europe GmbH, war einer der Speaker anlässlich der Veranstaltung 2021. Sein Input, welchen Beitrag der flexible Abstandhalter Super Spacer für die Realisierung von Fassaden mit großen, gebogenen Isolierglaselementen leistet, lässt sich auch auf das Göteborger Våghuset und den Nordstrom Flagship store in New York übertragen.

Fassade erinnert an maritimes Erbe

Göteborg und Hamburg haben vieles gemeinsam: bedeutende Seehäfen, idyllische Grachten sowie aufsehenerregende, nachhaltige Stadtentwicklungsprojekte in den ehemaligen Freihafengebieten. Wer sich in das vollverglaste, BREEAM-zertifizierte Büro- und Geschäftshaus Våghuset im neuen Göteborger Stadtviertel Masthuggskajen einmietet, unterzeichnet eine Selbstverpflichtung zum verantwortungsvollen Umgang mit Mitarbeitenden, Energie- und Materialnutzung und bezieht gleichzeitig eines der neuen Wahrzeichen der Hafenstadt. „Die elementierte Fassade zeigt eindrucksvoll, wie man Glas als kreatives Gestaltungsmittel einsetzen und gleichzeitig seine energetischen Ziele erreichen kann“, schwärmt Joachim Stoß, Vice President International Sales IG bei Quanex.

Zur Innenstadt hin hat das Gebäude mit den abgerundeten Kanten eine elegante, reflektierende Verglasung aus zylindrisch gebogenen Elementen, die mit zweifarbigen Streifen und dem lebendigen Wechsel zwischen konkav und konvex an Wellen erinnert; eine Hommage an den Fluss Göta älv, auf dem die Bedeutung Göteborgs gründet und der hier ins Kattegatt mündet.

Das „Wellenhaus“ ist ein wahrhaft europäisches Projekt

Laut Fassadenspezialist Staticus, nach eigenen Angaben einer der größten Full-Service-Fassadenbauer in Nordeuropa, ist „Våghuset ist ein leuchtendes Beispiel für europäische Zusammenarbeit.“ In der Tat: Der Entwurf stammt aus der Feder des größten skandinavischen Architekturbüros White Arkitekter aus Göteburg, die Fassade wurde von Staticus in Litauen realisiert, die gebogenen Profile wurden in Dänemark und die Verglasungen in Deutschland und Polen hergestellt. Verantwortlich für Projektentwicklung und Bau war die schwedische NCC AB.

Konvex und konav geschwungene Structural Glazing Fassade des Våghuset.
Konvex und konav geschwungene Structural Glazing Fassade des Våghuset.

„Dass sich in den gebogenen Isolierglaselementen auch noch Abstandhalter aus Heinsberg hinzugesellen, hat vor allem herstelltechnische Gründe“, erläutert Christoph Rubel, technischer Leiter bei Edgetech Europe GmbH, „Nur flexible Abstandhalter wie Super Spacer können exakt der Krümmung der zylindrisch geformten Gläser folgen. Da gebogenes Isolierglas praktisch immer in Handarbeit gefertigt wird, muss auch der Spacer manuell appliziert werden können.“

Die Flintermann Glasveredelungs GmbH aus Niedersachsen hatte rund 300 gebogene Isoliergläser zur Montage nach Litauen geliefert. Sie setzen sich zusammen aus 2 x 5 mm laminiertem Floatglas mit SunGuard SNX 60 Sonnenschutzbeschichtung, TriSealTM Super Spacer Flex 20 mm und 10 mm Floatglas. Als Standard-Doppelverglasung lässt das hoch selektive Guardian-Glas 60 % des natürlichen Tageslichts in die Räume, aber nur 29 % der Solarwärme. Daher kann im Våghuset auf zusätzlichen Sonnenschutz verzichtet werden.

„Die Besonderheit bei diesem Projekt war der fließende Wechsel von konkav zu konvex. Ein Großteil der Einheiten hatte eine umlaufende Stufe. Die Innenscheibe war stets kleiner, um in die Elementfassade eingelassen werden zu können“ erklärt Robin Dorn, Verkaufsleiter gebogenes Glas bei Flintermann.

Die gebogenen Isoliergläser in der Fassade des Våghuset haben Radii von 1580 für die konvexen und 1561 mm für die konkaven Elemente.
Die gebogenen Isoliergläser in der Fassade des Våghuset haben Radii von 1580 für die konvexen und 1561 mm für die konkaven Elemente.

Nachhaltigkeit als treibende Kraft für das Fassadendesign

“Staticus ist nicht nur der skandinavische Marktführer für große Fassadenprojekte, sondern auch eine treibende Kraft für intelligente und energieeffiziente Fassadenlösungen”, erklärt Projektleiter Saulius Visockas. “Våghuset passt genau in diese Philosophie. Wir sind dankbar, dass insbesondere nordeuropäische Kunden wie NCC unseren nachhaltigen Ansatz voll unterstützen.”

Die Kombination von WICTEC EL evo für das elementierte System und 50SG für das Pfosten-Riegel-System ermöglicht das Erscheinungsbild einer homogenen, glasbündigen Structural-Glazing-Fassade. In die Fassadenprofile ist auf allen 13 Geschossebenen eine umlaufende Beleuchtung integriert, um die Gebäudeform auch am Abend und während der Wintermonate sichtbar zu machen.

Vor der Wärmedämmung sind bis 1.563 mm hohe und bis 2.688 mm breite 1-fach Brüstungsgläser mit opaker Blackpearl-Beschichtung installiert. Die transparenten Fensterbänder bestehen aus bis 4.307 mm hohen und bis 2.441 mm breiten Isolierglaseinheiten. Für die planen 3-fach Fassadenelemente war ein Ucw-Wert von ≤ 0,5 W/m2 und für die gebogenen 2-fach Elemente ein Ucw-Wert von ≤ 0,65 W/m2 vorgegeben. Gleichzeitig darf sich auch bei nordischen Bedingungen von –15°C und 3,4 m/s Windlast außen sowie +20°C/30% RH innen unter keinen Umständen Tauwasser an den Scheiben bilden.

Die gebogenen Isoliergläser in der Fassade des Våghuset haben Radii von 1580 für die konvexen und 1561 mm für die konkaven Elemente.
Die gebogenen Isoliergläser in der Fassade des Våghuset haben Radii von 1580 für die konvexen und 1561 mm für die konkaven Elemente.

Gewelltes Isolierglas ohne vertikale Stützen

Die Verbindung zwischen gotischen Kathedralen, deren Strukturen auf so eindrucksvolle Weise Leichtigkeit, Lichtwirkung und Transparenz erzeugen, und der modernen Glasarchitektur wurde schon öfter gezogen. Verglasung auch als strukturelles Element einzusetzen, um den Tageslicheintrag zu maximieren, ist mittlerweile selbstverständlich. Doch die Frage, wie man diese Transparenz mit immer größere Scheiben und ohne sichtbare Pfosten-Riegel-Konstruktionen auf die Spitze treiben kann, beschäftigt Architekten, Fassadeningenieure und Glasindustrie weiterhin. Größere Scheibenformate bedeuten naturgemäß dickeres Glas und einen niedrigeren Lichtdurchlassgrad. Oft sind gebogene Formen, die aufgrund der Schalentragwirkung auch bei dünneren Gläsern eine erhöhte Steifigkeit aufweisen, die Lösung.

„Zylindrisch gebogenes Isolierglas übernimmt heute mehr und mehr tragende Funktionen, um Pfosten oder vertikale Stützbalken in der Fassadenkonstruktion zu vermeiden“, so Christoph Rubel. Der Scheibenzwischenraum muss dabei so klein wie möglich gehalten werden, um die hohen Anforderungen an die Wärmedämmung zu erfüllen und gleichzeitig einen schmalen, vertikalen Glasrandverbund zu erzielen. Hinzu kommt, dass gebogene Isolierglaseinheiten zwar steifer sind, andererseits aber auch empfindlicher gegenüber Klimalasten wie Wind und Sonneneinstrahlung.

Mächtige Glaseinheiten überspannen ganze Geschosse ohne vertikale Stützen

In der Fassade des Nordstrom Flagship Store, der im Podium des New Yorker Central Park Tower eingezogen ist, bilden insgesamt 254 bis 6 m hohe Glaselemente die einzelnen Geschossebenen ohne sichtbare Vertikalverbindung. Verantwortlich für den Entwurf der 45 m breiten und 38 m hohen Fassade an der Ecke Broadway und 57th Street war das Architekturbüro James Carpenter Design Associates.

Mächtige Glaseinheiten überspannen ganze Geschosse ohne vertikale Stützen
Mächtige Glaseinheiten überspannen ganze Geschosse ohne vertikale Stützen

„Gläser dieser Größenordnung herzustellen, ist eine Kunst. Einer der wenigen Glasbieger, der sie weltweit beherrscht, ist Cricursa“, erklärt Christoph Rubel. Im Fall von Nordstrom wurden 4-fach laminierte Gläser mit engen Radien und keramischer Bedruckung im Schwerkraftbiegeverfahren hergestellt. „Da der Randverbund durch den flexiblen Abstandhalter elastisch ist, nimmt der Spacer auch keine zählbaren Klimalasten auf. Dies hat den Vorteil, dass er auch den Randverbund nicht mit Spannungen belastet.“ Um auch in puncto Erdbebengefahr auf Nummer sicher zu gehen, integrierte der Fassadenberater Surface Design Group eine seitliche Gleitfuge in die gebogenen Profile, um den Glaselementen bei großen Belastungen Spiel zu geben.

In automatischen Linien können die flexiblen Super Spacer Abstandhalter auch mit dem Roboter appliziert werden. Joachim Stoß ergänzt abschließend: „Großformatige und teure Isolierglaselemente müssen in hoher Qualität und Präzision hergestellt werden, oft mit drei oder sogar mehr Scheiben, um die Anforderungen an Wärmedämmung, Sicherheit oder Akustik zu erfüllen. Je größer und schwerer ein Isolierglas, umso diffiziler ist auch das Handling während der Produktion. Super Spacer hält den Randverbund quasi sofort nach der Applikation an Ort und Stelle und garantiert sowohl bei automatisierter als auch bei manueller Verarbeitung höchste Präzision und Parallelität der Scheiben.“

www.quanex.com