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Gemeinsam ist man niemals allein

In Gemeinschaft und unter Freunden leben, sich umeinander kümmern, füreinander da sein, aber trotzdem autark in den eigenen vier Wänden wohnen und seine Privatsphäre genießen. Eine Baugemeinschaft in der Pfalz hat sich diesen Traum erfüllt und ein Haus mit elf Geschosswohnungen gebaut – mit hohem Standard, ein bisschen Luxus und unter umweltfreundlichen Aspekten.

Onkel Pö und Dixieland

„Bei Onkel Pö spielt ´ne Rentnerband seit 20 Jahren Dixieland“, singt Udo Lindenberg und malt das Bild von älteren Herrschaften, die gut drauf sind und vor allem nicht eins: allein. Leider tritt in der Realität oft das Gegenteil ein: Häufig werden alte Menschen nach dem Tod ihres Partners immer einsamer.

Allen Wohnungen ist zur Südseite ein privater Außenbereich in Form von Balkonen oder kleinen Gärten zugeordnet. Für die Fassade kam ein mineralisches, hydroaktives Putz- und Anstrichsystem zum Einsatz. Foto: Markus Eichhorn
Allen Wohnungen ist zur Südseite ein privater Außenbereich in Form von Balkonen oder kleinen Gärten zugeordnet. Für die Fassade kam ein mineralisches, hydroaktives Putz- und Anstrichsystem zum Einsatz. Foto: Markus Eichhorn

Dieses Thema hat auch Dietmar Eichhorn, Architekt in Karlsruhe, beschäftigt und zusammen mit seiner Frau suchte er eine Lösung: „Wir hatten die Vision, eine Wohngemeinschaft mit Freunden zu gründen, auch, um damit die bestehenden sozialen Beziehungen im späteren Lebensabschnitt aufrecht zu erhalten“, erinnert er sich. Daraus entwickelte sich die Idee, eine Baugenossenschaft mit dem Namen „Onkel Pö“ zu gründen, inspiriert von der legendären Kneipe in Hamburg Pöseldorf und Udo Lindenbergs Gassenhauer. Schnell fanden sich einige Freunde zusammen, die sich diesem Vorhaben anschlossen, allerdings musste die Zahl der Mitbauenden noch erweitert werden. „Dies war nicht einfach, denn viele Interessenten konnten sich nicht richtig vorstellen, was wir wollten: Es sollte eine Gemeinschaft entstehen, die Privatheit und gleichzeitig gemeinsame Aktivitäten bietet. Ein weiteres Ziel dieser Wohngemeinschaft sollte auch sein, sich bei Bedarf gegenseitig zu unterstützen“, erläutert Eichhorn, Partner im Büro architectoo in Karlsruhe, welches bereits seit 2005 mehrere Baugruppenprojekte realisiert hat.

Bessere Qualität und guter Zusammenhalt

Das Gebäude der Baugruppe Onkel Pö befindet sich im Süden vom rheinlandpfälzischen Landau, auf dem Areal, wo bis Mitte der 1990er noch Soldaten in Kasernen stationiert waren und dort, wo 2015 die Landesgartenschau stattfand. Ein Teil der Kasernen steht heute unter Denkmalschutz und die Gartenschau hat einen kleinen Park hinterlassen. Rundherum finden sich Restaurants, ein Hotel, auch der Bahnhof ist gut erreichbar und ebenso ist das Zentrum von Landau nur etwa 600 Meter Luftlinie entfernt. „Die Stadt Landau hat die dort zu vergebenen Grundstücke explizit für Baugruppen reserviert – denn Baugruppen setzen in der Regel einen höheren Anspruch an Architektur als Investoren, außerdem zeichnen sie sich meist durch einen guten sozialen Zusammenhalt aus, weil viele den Fokus auf den Aspekt des gemeinschaftlichen Wohnens und die dafür nötigen Gemeinschaftseinrichtungen legen – beides Aspekte, die die Gegend aufwerten“, erklärt Architekt Eichhorn. Insgesamt haben zehn weitere Baugruppen verschiedene Gebäude auf dem Gelände errichtet, darunter auch Reihenhäuser und Häuser mit Geschosswohnungen.

Individuelle Wohnungen und besondere Architektur

Das dreigeschossige Mehrfamilienhaus der Baugruppe Pö wurde von 2015 bis 2017 erbaut. Auf 1.070 Quadratmetern Wohnfläche beheimatet es elf barrierefreie und individuelle Wohnungen unterschiedlichster Größe, von 35 bis 105 Quadratmeter. Sie sind nordseitig über einen Laubengang erschlossen, zusätzlich gibt es in der Mitte des Hauses einen Aufzug. Zur verglasten Südseite zum Garten befinden sich die Hauptwohnräume. Alle Wohnungen ergänzt ein privater Außenbereich an der Gartenseite in Form von Balkonen oder kleinen Gärten. Der Flachdachbau fällt durch die nordwestliche Gebäudeecke aus Ziegelsichtmauerwerk auf, die in ihrer Materialität eine Verbindung zu den noch vorhandenen historischen Militärgebäuden herstellt. „Ich habe bewusst nicht das ganze Gebäude, sondern nur die Ecke als Reminiszenz an die Kasernen gestaltet und von der Form her ein bisschen moderner interpretiert“, erklärt Eichhorn.

Der Architekt gestaltete bewusst nicht das ganze Gebäude, sondern nur die Ecke als Reminiszenz an die Kasernen mit Ziegelsichtmauerwerk. Foto: Markus Eichhorn
Der Architekt gestaltete bewusst nicht das ganze Gebäude, sondern nur die Ecke als Reminiszenz an die Kasernen mit Ziegelsichtmauerwerk. Foto: Markus Eichhorn

Das Gebäude ist in den ersten beiden Geschossen massiv gebaut, für das obere Geschoss ist eine Holzkonstruktion gewählt worden. „Das mussten wir machen“, erläutert der Architekt, „um die Werte für ein KfW 55 Haus einzuhalten, da eine Holzkonstruktion an sich besser dämmt als Mauerwerk.“

Gehobene Ausstattung und ein bisschen Luxus

Die Ausstattung der elf Wohnungen ist sehr unterschiedlich und individuell. Gemeinsam ist allen ein hoher Standard mit hochwertigen Details. Dazu zählen zum Beispiel 2,70 Meter hohe Räume mit bodentiefen Fenstern und 3-fach verglaste Holz-Aluminiumfenster sowie bodengleiche Duschen. In einigen Wohnungen kam KEIM Innotop zum Einsatz, eine Sol-Silikatfarbe ohne Lösemittel, Weichmacher und ohne Zusatz von Konservierungsstoffen.

Durch den Carport ist ein winkelförmiger Gebäudekomplex mit geschütztem Gartenbereich entstanden. Auf dem Carport ließ die Baugemeinschaft einen Gemeinschaftsbereich errichten. Foto: Markus Eichhorn
Durch den Carport ist ein winkelförmiger Gebäudekomplex mit geschütztem Gartenbereich entstanden. Auf dem Carport ließ die Baugemeinschaft einen Gemeinschaftsbereich errichten. Foto: Markus Eichhorn

Ein Carport bildet die Grenze nach Westen, sodass ein winkelförmiger Gebäudekomplex mit geschütztem Gartenbereich entstanden ist. Auf dem Dach des Carports bietet ein 8,30 x 3,20 Meter großer Gemeinschaftspool ein bisschen Luxus, umsäumt von 50 Quadratmeter Terrasse – eine Herzensangelegenheit von Dietmar Eichhorn. Auf dem Carport ließ die Baugemeinschaft ebenfalls einen 30 Quadratmeter großen Gemeinschaftsraum errichten, in dem Feste gefeiert und Sitzungen abgehalten werden können.

Ökologische Dämmung und erneuerbare Energien

Für die Gestaltung der Fassade entschieden sich die Baugruppenmitglieder für das AquaRoyal System von KEIM, ein mineralisches, hydroaktives Putz- und Anstrichsystem, dessen bauphysikalische Eigenschaften den Algen- und Pilzbefall weitestgehend vermeiden, sodass der Einsatz von Bioziden nicht notwendig ist. Nach einer Dämmung mit Mineralschaum und einer Armierungsschicht folgte der fungizidfreie Putz in Besenstrichoptik und abschließend die Farbe. „Mich hat überzeugt, dass sich kein Gift in diesem System befindet – das System ist ökologisch und mir deshalb sympathisch“, erklärt Eichhorn und fügt hinzu: „Wir haben das zweite Mal damit gearbeitet, das erste Mal vor elf Jahren sind unsere Erfahrungen sehr gut gewesen.“ Der größte Teil der Fassade ist in Weiß gestrichen, nur an der Nordseite sind im Laubengang die zurückspringenden Teile der Fassade in einem olivgrünen-braunen Ton gestaltet. Dabei war es nicht leicht, sich mit allen Baugruppenmitgliedern auf einen Farbton zu einigen, erinnert sich Eichhorn.

Auf dem begrünten Dach liefert eine Fotovoltaikanlage den Strom für die Beheizung des Pools und das Treppenhauslicht. Und auch künftige E-Autos können im Carport damit versorgt werden – die Vorkehrungen für Elektroladestationen sind bereits eingebaut.

Konzept und Traum erfüllt

„In der Planungsphase war unser Projekt nicht immer leicht“, fasst Dietmar Eichhorn zusammen, „angefangen damit, die richtigen Leute zu finden und elf Bauherren gleichzeitig zu bedienen und gerecht zu werden, denn keine Wohnung ist wie die andere. Ebenso war es mühsam, Dinge gemeinsam zu beschließen, wie zum Beispiel die Fassaden- oder Fensterfarbe.“

Auf dem Dach des Carports bietet ein Gemeinschaftspool ein bisschen Luxus, umsäumt von einer Terrasse. Foto: Markus Eichhorn
Auf dem Dach des Carports bietet ein Gemeinschaftspool ein bisschen Luxus, umsäumt von einer Terrasse. Foto: Markus Eichhorn

Heute ist etwa die Hälfte der Bewohner Eigennutzer, vier Wohnungen sind vermietet und das Durchschnittsalter liegt etwa zwischen 50 und 60 Jahre. Auch Dietmar Eichhorn wohnt mit seiner Frau schon seit eineinhalb Jahren im Dachgeschoss des Gebäudes und fühlt sich sehr wohl. „Wir genießen es, dass wir, wenn wir unsere Freunde besuchen möchten, einfach nur über den Flur gehen müssen, denn sie wohnen gegenüber“, schmunzelt der Architekt. Auch die anderen Nachbarn trifft man im Haus oder am Pool, den die Bewohner in den warmen Monaten intensiv nutzen – aber eine gut funktionierende und vertraute Gemeinschaft muss erst langsam wachsen.

Für Dietmar Eichhorn gilt: „Wenn in den nächsten Jahren auch weitere unserer Freunde, darunter hoffentlich mein Bruder, hier einziehen werden, wird unser Traum, gemeinsam unter Freunden zu leben, bald in Erfüllung gehen.“

Fotos: Markus Eichhorn

Bautafel
Bauherr: Baugemeinschaft Onkel Pö GbR , Landau
Planung: architectoo, Karlsruhe
Dietmar Eichhorn, Freier Architekt, BDA

Ausführung (u. a.)
Wind GmbH, Knöringen

Produkte
KEIM AquaRoyal System
KEIM Innostar
KEIMFARBEN GmbH, Diedorf


Autorin: Dr. Alexandra Nyseth